Was ist und wie wirkt mentales Training?


Im Kern versteht man unter mentalem Training das systematische, wiederholte Sich-Vorstellen von Bewegungsabläufen, ohne diese auszuführen.

Die Wirkung mentalen Trainings wurde u.a. von Heuer (1985) auf der Grundlage kognitiver und ideomotorischer (sog. psychneuromuskulären) Hypothesen versucht zu erklären. Die Frage, die es zu beantworten galt, war, wie Bewegung eigentlich beschrieben und damit gleichzeitig, wie sie gelernt werden kann.

Allgemein können Bewegungsmuster auf wenigstens vier Arten von Repräsentationen beschrieben werden:

  • Motorische – bezieht sich auf die Spezifizierung räumlich-zeitlicher Muster efferenter Kommandos.
  • Kinästhetische – spezifiziert die kinästhetischen Begleiterscheinungen des Bewegungsmusters, also das Bewegungsgefühl. 
  • Räumlich-bildhafte – spezifiziert die räumlich-zeitlichen Verlaufsmerkmale der Bewegung. 
  • Symbolische od. sprachliche – durch Verbalisierung des Bewegungsmusters.

Für Heuer (1985) impliziert die Möglichkeit, Bewegungsmuster auf unterschiedliche Arten zu beschreiben, sie auch auf unterschiedliche Art zu lernen. 

Prinzipiell können alle vier Arten von inneren Repräsentationen eines Bewegungsmusters vorkommen. Die Möglichkeit eine Bewegung durch rein motorische Repräsentationen zu lernen, ergibt sich daraus, „daß Bewegung auch dann gelernt werden können, wenn keine sensorische Information verfügbar ist“ (S. 193). Beispiel: Wenn ich einen Sportler bei der Ausführung einer Bewegung (mehrmals) beobachte, bin ich in der Lage diese Bewegung nachzuahmen. Demnach habe ich eine Vorstellung davon entwickelt, wie die Bewegung auszuführen ist".

Die Möglichkeit kinästhetischer Repräsentation wird dadurch indiziert, „daß Bewegungen genauer gelernt werden können, wenn kinästhetische Rückmeldungen vorhanden sind“ (S. 193). Beispiel: Wenn ein Fußballspieler beim Vollspannstoß den Ball trifft, dann fühlt er für gewöhnlich die Berührung, wenn der Ball den Fuß berührt. Dieses Gefühl im Moment der Ballberührung kann ein externer Beobachter nur dann erleben, wenn er die Bewegung selbst schon ausgeführt hat. Anders als bei der motorischen Repräsentation ist die kinästhetische Repräsentation nicht durch die Beobachtung erfahrbar.

Die Bedeutung räumlich-bildhafter und sprachlich-symbolischer Repräsentation ergibt sich aus Untersuchungen, in denen die Interferenz zwischen symbolischen bzw. räumlich-bildhaften und motorischen Leistungen untersucht wird (Bsp. Nagel 2015). Beispiel: In einer Untersuchung im Nachwuchsfußball (44 Teilnehmer) konnte Nagel (2015) u.a. den Einfluss von Bildern auf die Torschussleistung in einem standardisierten Torschusstest nachweisen. Die Bilder-Reihe (7 Bild-Sequenzen) zeigte einen Fußballspieler, der einen Vollspannstoß durchführte. Die Schwierigkeit lag darin, dass die Bilder jeweils in der Mitte getrennt waren, so dass sich in der Summe 14 Bilder ergaben. Die Versuchspersonen hatten vor jedem Torschusstest (pro Test jeweils 18 Versuche) die Aufgabe, dem Oberkörper den passenden Unterkörper zuzuordnen und anschließend die sieben Bilderpaare in die zeitlich korrekte Reihenfolge zu bringen. Mit dem Anordnen der Bilder entstand eine räumlich-bildhafte Repräsentation des Bewegungsmusters Vollspannstoß. Durch den anschließenden praktischen Torschusstest konnte die Bewegungsvorstellung gleichzeitig durch die motorische und kinästhetische Repräsentation ergänzt werden. 

Die sprachlich-symbolische Repräsentation von Bewegungen kann sich durch die Verbalisierung der auszuführenden Bewegung ergeben. Beispiel: Wenn man einen Stabhochspringer dazu auffordert, dass er sein Bewegungsmuster verbal beschreibt, kann man die sprachlich-symbolische Repräsentation erfassen und weiterentwickeln. Auch das ist eine Form des Bewegungslernen.

Der kognitiven Hypothese nach ist die Wirkung mentaler Übung auf das Erlernen der bildhaft-räumlichen und der sprachlich-symbolischen Repräsentationen gebunden. 

Das, was die kognitive Hypothese in Bezug auf die Wirkung mentaler Übung nicht zu erklären vermag, wird mit Hilfe der ideomotorischen Hypothese zu erklären versucht. Ausgangspunkt ist die Frage „Wie eigentlich die Vorstellung einer Bewegung und ihre Ausführung zusammenhängen“. Eine Antwort darauf ist das ideomotorische Prinzip, nach dem jede Vorstellung einer Bewegung die Tendenz zu ihrer Realisierung in sich trägt, auch als Carpenter-Effekt bekannt. Dieser besagt, dass die bloße Vorstellung einer Bewegung (z.B. Armbeugen) mit erhöhter myoelektrischer Aktivität und einer minimalen Bewegung einhergeht. Dieser periphere Effekt ist spezifisch für das von der Vorstellung betroffene Körperglied (z.B. Arm) und findet sich nur bei kinästhetischen Vorstellungen. 

Die Wirksamkeit mentaler Trainingsverfahren zur Lern- und Leistungssteigerung im Sport ist vor allem bei Bewegungsaufgaben mit einem hohen kognitiven Anteil empirisch belegt (Feltz et al., 1988; Hinshaw 1991, Driskel et al. 1994).